- Wissensmanagement
- von Professor Dr. Margit Osterloh und Professor Dr. Jetta FrostWissensmanagement beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, dem Transfer, der Speicherung sowie der Nutzung von Wissen. Der vielfach abgewandelte Satz „Wenn Hewlett Packard wüsste, was Hewlett Packard weiß“ bringt zum Ausdruck, worum es beim Wissensmanagement geht: Wie wird aus individuellem Wissen ein gemeinsames organisatorisches Wissen, das auch dann noch bestehen bleibt, wenn einzelne Individuen das Unternehmen verlassen?Wissensmanagement ist weit mehr als Informationsmanagement. Information ist die notwendige Voraussetzung zur Generierung von Wissen. Deshalb kann man Informationen wie andere Güter handeln, Wissen hingegen nicht. Information ist ein Fluss von Nachrichten und bedeutet Know-what. Wissen hingegen entsteht nicht durch eine Anhäufung von Informationen, sondern erst durch die Verknüpfung der Informationen mit bereits vorhandenen Vorwissen, d.h. Know-why. Dies bedeutet, dass Informationen erst dann zu Wissen transformiert werden, wenn sie auf dem Hintergrund von Vorwissen interpretiert und Bestandteil der persönlich verfügbaren Handlungsschemata werden. Deshalb kann Wissen nicht wie Informationen gekauft oder verkauft werden. Wissen muss auch jene Fähigkeiten umfassen, die Kommunikation und Interaktion erst ermöglichen, ohne dass sie jedoch explizit formuliert werden können. Deshalb ist eine weitere Unterscheidung für Wissensmanagement zentral: Explizites und implizites Wissen.Explizites Wissen (Explicit Knowledge) ist formulierbares und reproduzierbares Wissen. Es kann ohne Schwierigkeiten durch eine formale, systematische Sprache vermittelt werden, etwa durch Wörter und Zahlen. Dies bedeutet, dass explizites Wissen den Individuen bewusst ist. Es kann in seiner Anwendung logisch nachvollzogen und beschrieben werden und stellt deshalb spezifisches oder methodisches Wissen dar.Implizites Wissen hingegen hat eine persönliche Qualität, durch die es nur schwer formalisierbar und vermittelbar ist. Es ist verborgenes, unspezifisches Wissen und beschreibt inhärente Eigenschaften. Zudem ist es stark in den damit verknüpften Handlungen, Verpflichtungen und Mitwirkungen innerhalb eines spezifischen Kontextes begründet. Implizites Wissen ist zumeist individuell ausgeprägt. M. Polanyi erklärt in seiner Theorie des impliziten Wissens menschliches Erkennen mit dem Satz, „dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen“ (Polanyi, M., 1985, S. 14).Heutzutage wird in Unternehmen v.a. implizites Wissen als Quelle nachhaltig verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile gesehen. Es gilt als besonders schwer imitierbar, falls es gelingt, dieses Wissen in Wissensmanagementprozessen organisatorisch zu verankern. Dazu reicht eine Anhäufung und Speicherung von vielen Informationen oder die Beschäftigung von Mitarbeitenden mit Spezialistenwissen nicht aus. Individuelles, implizites Wissen ist zwar Grundlage des Wissensmanagements, stellt jedoch für sich genommen noch keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen dar, weil einzelne Wissensträger abgeworben werden können. Zwar lassen sie in diesem Fall große Teile ihres expliziten Wissens in Form von Aufzeichnungen zurück. Ihr implizites individuelles Wissen geht dem Unternehmen aber verloren.Die japanischen Organisationswissenschaftler I. Nonaka und H. Takeuchi haben mit der so genannten „Wissensspirale“ das bekannteste Modell des Wissensmanagements entwickelt. Im Kern geht es darum, dass erst der kontinuierliche Austausch zwischen explizitem und implizitem Wissen die Voraussetzung für die Generierung und Übertragung von organisatorischem Wissen bildet. Auf diese Weise kann implizites Wissen organisationsweit ausgebreitet und zugleich ständig angereichert werden. Damit organisatorisches Wissen kreiert werden kann, muss das individuelle implizite Wissen der Organisationsmitglieder einen dynamischen Übertragungsprozess durchlaufen. Dazu werden explizites und implizites Wissen zu vier verschiedenen Formen der Wissensübertragung kombiniert: Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung.Die Sozialisation überträgt Wissen „von implizit zu implizit“, d.h. weitgehend ohne Sprache. Stattdessen sind „Learning by Doing“, d.h. Beobachtung, Nachahmung und Übung zentral. So erlernen Kinder die körperliche Routine Fahrrad fahren, indem sie so lange Tretbewegung, Lenken und Balance halten üben, bis sie es können. Typisches Beispiel für die Sozialisation im betrieblichen Alltag ist die Integration eines neuen Team-Mitglieds in die Denk- und Handlungsroutinen der Gruppe.Die Externalisierung verwandelt implizites Wissen in explizites. Allerdings ist diese Umwandlung immer nur teilweise möglich. Voraussetzung für die Externalisierung von implizitem Wissen ist intensive persönliche Kommunikation, z.B. in Qualitätszirkeln oder interdisziplinären Teams. Mithilfe von Analogien und Metaphern versuchen die Teilnehmenden, sich ihr implizites Erfahrungswissen wechselseitig zugänglich zu machen.Die Kombination führt unterschiedliches explizites Wissen zusammen. Da die Kombination von Wissen nicht an „Face-to-Face“-Kontakte gebunden ist, kann es informationstechnisch unterstützt werden. Die herkömmlichen Informationstechnologien beschäftigen sich ausschließlich mit dieser Form der Wissensübertragung. Sie berücksichtigen damit nur einen kleinen Teil des relevanten Wissens.Mit der Internalisierung wird explizites Wissen (teilweise) wieder in implizites Wissen verwandelt, allerdings in einer angereicherten, komplexeren Form. Dies geschieht, indem Individuen oder Gruppen Handlungsroutinen erlernen, die vorher explizit ausformuliert waren. Die sichere Beherrschung von Routinen ermöglicht, dass komplexe Tätigkeiten „wie im Schlaf“ ausgeführt werden. Sie erfordern nur noch eine reduzierte Aufmerksamkeit.Je häufiger die Wissensspirale durchlaufen wird, desto komplexer wird das organisatorische Wissen, verkörpert in organisatorischen Routinen und Regeln. Diese stehen dem Unternehmen selbst dann noch zur Verfügung, wenn einzelne Wissensträger das Unternehmen verlassen. Personen können immer nur ihr individuelles implizites Wissen mitnehmen, nicht aber das kollektive, aufeinander abgestimmte Regel- und Routinewissen. Danach gelingt einem Unternehmen ein erfolgreiches Wissensmanagement, wenn– nicht nur Wissen miteinander kombiniert, sondern auch in Sozialisations-, Externalisierungs- und Internalisierungsprozessen übertragen wird;– das (explizite und implizite) Wissen in der Organisation bleibt, auch wenn Individuen diese verlassen, weil es in formalen und informalen Regeln und Routinen gespeichert ist und– wenn das in der Organisation verfügbare Wissen die Kapazität von Einzelköpfen übersteigt. Erst diese Bedingung stellt sicher, dass der Nutzen der Arbeitsteilung fruchtbar gemacht werden kann, d.h. nicht jedes Organisationsmitglied alles wissen muss.Literatur: Dretske, F., Knowledge and the Flow of inrofmation, Cambridge, Mass. 1981; Kogut, B./ Zander, U., Knowledge of the Firm, Combinative Capabilities, and the Replication of Technology, in: Organization Science 3 (1992), S. 383–397; Machlup, F., The Production and Distribution of Knowledge in the United States, Princeton 1962; Nonaka, I./ Takeuchi, H., Die Organisation des Wissens, Frankfurt a.M. 1997; Polanyi, M., Implizites Wissen, Frankfurt a.M. 1985.Literatursuche zu "Wissensmanagement" auf www.gabler.de
Lexikon der Economics. 2013.